Die Ausgangslage
Das bestehende CRM soll zur Salesforce Customer 360° Platform ausgebaut werden. Ziel ist der nahtlose Datenfluss über alle Customer Journey touchpoints für verbesserte Kundenerlebnisse und entsprechende Gewinnsteigerung. Das Marketing-Team soll mit einem Ausbau an Fähigkeiten, Tools und Templates das E-Mail-Marketing zum Next level ausbauen. Zusätzlich will man mit der Einführung von Marketing Automation ein einheitliches, bedarfsorientiertes Kundenerlebnis auf Basis von Daten über alle Touchpoints hinweg aufbauen (Advertising, App/Website, Loyality Programm, Commerce, Customer Service, Chat, E-Mail, SMS, WhatsApp, Push).
Das Unternehmen zeichnet sich durch hohe Digital Maturity aus – es ist von der digitalen Reife her als Digital Fashionist einzuordnen (am digitalen Puls der Zeit). Die Teams sind es gewohnt, Wasserfall Projekte mit komplexen technischen Vorhaben umzusetzen. Es gibt entsprechende Ressourcen für Enterprise Archtiektur, Daten-Architektur, Datenauswertung und die technische Administration von Salesforce. Verschiedene Dienstleister arbeiten mit dem Unternehmen für die technische Implementation, Daten Management und Tracking. Paralell sind im Unternehmen acht große Streams (Leuchtturmprojekte) geplant, die noch nicht miteinander orchestriert sind.
Agiles Arbeiten und Kollaboration über bisherige Teams bzw. Abteilungen hinaus sind bis dato Fehlanzeige. Es gibt keine unternehmensweite Koordination der geplanten großen technischen Veränderungen, die jeweils für sich bereits terminiert sind und jeweils in unabhängig voneinander geplanten Team-Zielen, persönlichen Zielen und Führungszielen abgebildet sind.
Hinweis: Der nachfolgende Best Case ist anonymisiert und liegt der Autorin in der vollen Version vor. Das Unternehmen ist ein KMU mit mehreren Tausend Mitarbeitenden, das sich zum Zeitpunkt des beschriebenen Cases in einer großen Transformationsphase befand (ausgelöst durch eine sich stark verändernde Marktlage und starken Wettbewerbsdruck).
Weiterentwicklung E-Mail-Marketing & Einführung Marketing Automation, Einführung Marketing Cloud Personalization
neue Daten-Architektur, Verbindung und Angleichung von Kundendaten
Orchestrierung von Advertising, Customer Case Management, Consumer Relationship Management, Customer Communication & Disruption Management (SMS & E-Mail & Push Notifications) als auch Campaign Management
Einführung Loyality Programm und Reference-Center
Marketing Intelligence
- Implementation & Go-live mit Kooperationspartner
- Alignment & Collaboration cross-funktionales Team
- neue Strategie
- Data Model & Harmonization
- Data Clean up and Migration
- erste Kampagnen realisieren
- neue 360 Prozesse
- neue Job-Descriptions
- Training Concept & End-user Training
- Salesforce Marketing Cloud Know-how ausbauen
- Einführung X-Selling & Cross-Selling
- neue Skills
Wie gelingt Customer Centricity und Marketing Automation?
Maike Petersen, Manifest & Toolbox Founder, DIGITAL, Transformation Enabler @ Why Consult
„Wie groß können Herausforderungen eigentlich sein? Meine Erfahrung zeigt mir: unvorstellbar groß.
In solch einem Fall muss Energie aufgebracht werden, neue Strukturen zu finden, das Bewusstsein für die wirkliche Dimension des Vorhabens zu schärfen. Und es braucht Hartnäckigkeit und ein dickes Fell, weil alle bisherigen Projektpläne, Zeiträume und Budgetvorstellungen komplett neu gedacht werden müssen. Dieses 360 Vorhaben ist ein gutes Beipiel dafür, wie Unternehmen die Herausforderungen und den Kraftaufwand unterschätzen, bevor die erhofften Vorteile greifen können.“
Maike Petersen, DIGITAL Marketing Expert und Initiatorin des Manifest der Digitalen Transformation, beschreibt das Vorgehen
Das Vorhaben benötigt einen Sponsor
Was ich vorgefunden habe bei Übernahme der Aufgabe ist ein Projekt, dass als solches neben vielen anderen Projekten im Unternehmen gestartet wurde. Der Bereichsleitung wurde dieses Projekt „Ausbau CRM / Salesforce Customer 360° Platform“ übertragen. Jedoch gab es keine wirkliche Vernetzung in die obere Entscheidungsebene. Es brauchte einige Zeit, bis das Bewusstsein für die Dimension dieses gewünschten Projektes in die Entscheidungsebene getragen werden konnte und sich ein Sponsor fand. Damit ist eine Person mit entsprechender Umsetzungsmacht aus den höheren Etagen gemeint, die sich absolut für dieses Vorhaben einsetzt und alles Notwendige möglich macht.
Programm Management etablieren
Es sind in diesem Case so viele verschiedene Stakeholder, Bereiche und bestehende Projekte involviert, dass man es besser mit parallel laufenden Streams beschreibt. Es muss als Programm verstanden werden – mit einfachem Projektmanagement kommt man hier nicht weiter. Zusammen mit dem Sponsor wurde eine Programm-Struktur gefunden, die offiziell alles beim alten beließ (aus politischen Gründen und um Befindlichkeiten zu berücksichtigen), aber defacto einen Programm Manager etablierte, ein Steering-Commitee und die einzelnen Streams wurden ab sofort zusammen betrachtet. Diese unausgegorene Lösung war nicht ideal, sondern ist pragmatisch dem aktuell Machbaren gefolgt.
Tipp: Ich empfehle bei solchen komplexen 360-Vorhaben immer von Beginn an eine Programm-Struktur zu etablieren und maximal Klarheit über die geplante Vorgehensweise zu schaffen.
Gemeinsamer Austausch & Sensibilisierung für den Bedarf, etwas zu ändern
Verständlicher Weise wird jedes Extrameeting als störend und überflüssig empfunden. Dennoch ist es notwendig, sich oft und intensiv zusammen zu setzen und die anstehenden Veränderungen durchzusprechen. Um alle auf denselben Wissensstand zu bringen, sind Austauschformate notwendig (Warum sind diese Änderungen notwendig? Was ist die Strategie dahinter? Wie werden wir dies umsetzen? Wie werden wir zukünftig zusammen arbeiten?). Wir haben ganz bewusst darauf geachtet, nicht nur interne Stakeholder in diesen Austausch mit einzubeziehen, sondern auch Externe wie Projektverantwortliche und Experten der einzelnen Dienstleister. Denn nur wenn alle die ganzheitlichen Herausforderungen verstehen und sich selbst ein Bild davon machen können (über welche Datenarchitektur wir hier für die Zukunft sprechen und wie sich dies auf meine eigenen Aufgaben auswirkt) kann jede Person sich bestmöglich einbringen. Hinzu kommt, dass die einzelnen Teams, Bereiche und involvierten Externen unterschiedliche Reifegrade in Kollaboration, Co-Kreation und transparentem Umgang mit Wissen generell hatten und ungeübt darin waren, in Echtzeit in denselben Daten zu arbeiten. Eine Challenge war es, aus passiver Meetingbeteiligung eine Selbstverständlichkeit zu erreichen für aktives Erarbeiten aller. Dafür ist unbedingt Moderation einer erfahrenen Person notwendig. Dies ist jedoch auch ein Vorgang, der Übung und Geduld benötigt.
Es gab ein Kernteam, dass von Beginn an eingebunden war in die Notwendigkeiten zum Ausbau des CRM und der Salesforce-Optionen, der Einführung von Marketing Automation. Dieses Kernteam von 3 Personen war involviert in die strategischen Überlegungen und den Business Impact, den das Unternehmen sich von diesem Vorhaben versprach. Folglich hatten diese 3 Personen zu Beginn einen massiven Informationsvorsprung gegenüber anderen Stakeholdern.
Es fanden unterschiedliche Austauschformate statt, in denen wir informiert haben über die jeweils aktuell definierten Strategien und Konzepte (die nach und nach ausgearbeitet wurden), die technischen Herausforderungen und den dazugehörigen Status quo als auch die zukünftige Datenarchitektur. Mit co-kreativen Sessions, in denen wir immer visuell auf einem Whiteboard unsere Überlegungen abgebildet haben und Übersichten über die möglichen Aufgabenpakete, für mögliche Prozessabläufe, für das Mapping von Automation Journeys usw. haben wir einen Weg gefunden, ein gemeinsames Verständnis für die sehr komplexe Monsteraufgabe zu finden und daraus Strukturen zu erarbeiten für das weitere Vorgehen.
Die Sensibilisierung für ein 360 Verständnis als auch für den Bedarf einer 360 task force ist ein längerer Prozess. Hierfür ist Stakeholdermanagement und zahlreiche Gespräche auf unterschiedlicher Hierarchiestufe notwendig.
Gemeinsam Aufgabenpakete identifizieren
Von Beginn an war die wirkliche Dimension der Gesamtaufgabe nicht bekannt. Lediglich die Salesforce-Impelementierung und Einführung von Marketing Automation wurde als Aufgabe verstanden und durch Dienstleister-Angebote reflektiert. Was das alles jedoch für die interne Zusammenarbeit benötigt und welche Aufgaben sich daraus wirklich für das gesamte Unternehmen ergeben, war zu Beginn nicht identifiziert. Wir reden bei diesem Vorhaben über Gesamtaufgaben, die in einem Zeitraum von mindestens 2 bis 3 Jahren stattfinden. Die Einführung eines 360-Ablaufes ist eine Sache. Sämtlich damit verbundene technische Umsetzungen brauchen einen längeren Atem, da es Abhängigkeiten zu bereits gestarteten Projekten gab und vieles eigene, größere Projekte nach sich zieht.
Damit sich die involvierten Personen aus Sales, Service, Marketing, Commerce und den Tech-Teams eine Vorstellung machen konnten, was alles an Umsetzungen zukünftig notwendig sein wird, halfen die zuvor beschriebenen co-kreativen Sessions und die unzähligen Abbildungen in Miro-Boards. So konnten wir Stück für Stück das Verständnis für anstehende Arbeitspakete schaffen und diese immer konkreter benennen sowie die Abhängigkeiten zu anderen Arbeitspaketen visualisieren. Ganz zu Beginn wurden Inputs unstrukturiert gesammelt, dann in Mappings abgebildet und schließlich (zumindest für das Tech und Marketing Team) als Epics, Features and Tasks im Jira Backlog eingegeben.
Verständnis für EINE Customer Journey erarbeiten
Es stellte sich heraus, dass die einzelnen Abteilungen ihre ganz eigenen Vorstellungen von der Customer Journey hatten. Das zeigte sich in unterschiedlichen Abbildungen mit denen man hantierte. Das zeigte sich in komplett unterschiedlichen Begriffen und Abläufen, die man betrachtete. Es gab kein wirkliches Verständnis EINER Customer Journey, die alle möglichen Kundenoptionen über alle Unternehmensbereiche hinweg umfasste. Nachdem wir das Problem erkannt hatten, haben wir eine neue und umfängliche Customer Journey visualisiert. Damit alleine ist es aber nicht getan, denn eine „übergestülpte“ Abbildung wird weder von jeder Person akzeptiert, noch inhaltlich tief durchdrungen und schon gar nicht im Arbeitsalltag angewendet.
Es brauchte mehrere moderierte Working Sessions, in denen alle in Co-Kreation ein Bild der Kundenreise erarbeitet haben. Diese Abbildung auf einem Whiteborad wurde immer strukturierter und letztendlich final visualisiert. Da von Beginn an klar war, dass für die einzuführende Marketing Automation eine genau definierte Struktur und Nomenklatur benötigt wird, haben wir dies mit eingebaut in die neue Customer Journey. Das bedeutet, alle Touch Points wurden definiert und benannt, die Kategorien für die Automation festgelegt und High Level Actions aus Kundensicht geclustert.
Das war insgesamt ein anstrengender Akt, der aberabsolut notwendig war für die zukünftige operative Umsetzung: Die definierten Touch Points, Kategorien und High Level Actions spielen eine wichtige Rolle zusammen mit den regulären Newsletter, den automatisierten Benachrichtigungen (E-Mail, SMS, WhatsApp, Push), den Kampagnen auf der Website und in der App für die exekutive Nutzung. Dafür ist der Abgleich der Nomenklatur interner Begriffe so wichtig und die gemeinsam gefundene Struktur:
- für den gemeinsamen Austausch (damit ale dasselbe darunter verstehen)
- für die Planung
- für das Umsetzen (für das Bauen in den Tools inklusive Ordnerstruktur und Datenbenennung zwecks Zuordnung)
- für das Tracking
- für die Analyse
- und für das Reporting
Indem wir all dies mit der Customer Journey verknüpft haben, hat sich daraus eine komplexe und zugleich sehr wertvolle Übersicht ergeben, so dass wir genau passend für jeden Schritt und die Handlungen der Kunden (Actions) die passende Lösung bauen konnten.
- Acquisition
- Start der Kundenreise (z.B. mit Abonnieren des Newsletters)
- Website
- App
- Buchen des Angebotes
- Nutzung des Angebotes
- Kundenservice
- Preference Center
- Loyalty Programm
- Retention
- Ende (z.B. Abbestellen des Newslettes)
- Transactional
- Advanced CJ
- Loyalty
- Marketing Opportunity
- Sales & revenue
- IT
- Disruptions
- Legal
- Ask for Feedback
- Direct me
- Inform me
- Inspire me
- Reactivate me
- Reassure me
- Reward me
- Teach me
Projekte und Ziele aufeinander abstimmen
Dieser Case weist definitiv keine idale Vorgehensweise auf. Dennoch muss man mit den Gegegbenheiten das Bestmögliche hervorbringen. Weil es zu Beginn (wie beschrieben) keine wirkliche Vernetzung in die obere Entscheidungsebene gab und die Projekte unterschiedlicher Abteilungen nicht aufeinander abgestimmt waren, galt es, dies nachzuholen. Sobald ein Sponsor das Vorhaben förderte und bei allen (vor allem den Entscheider:innen) ein besseres Verständnis für die benötigten Aufgabenpakete und Zeitdimensionen vorhanden war, konnten Projekte und Ziele aufeinander abgestimmt werden. Wir haben hier nicht die große Keule herausgezaubert und alles auf einmal gemacht, sondern sind schrittweise von innen nach außen vorgegangen. Das bedeutet, da starten, wo das zu dem Zeitpunkt größte Verständnis für das Vorhaben vorliegt (E-Mail Marketing, Marketing Team, Salesforce Team). In einer größeren Organisation bei laufendem Betrieb Projekte umzudefinieren, das Zielmanagement zu ändern und neue KPIs zu formulieren, passiert nicht an einem Tag. Es brauchte Zeit, bis in der gewählten Programm-Struktur die notwendige Klarheit in die involvierten Teams und bis hin zu deren Führungskräften hineinsickerte, dass wir dieses aufeinander Abstimmen komplett neu denken müssen. Ich befähige da als Externe in einer Mehrfachrolle die Involvierten mit den notwendigen Skills, treibe hartnäckig den Abgleich voran und helfe dabei, die jeweils notwendigen Strategien auf den Weg zu bringen.
Kaskadierende Strategien anpassen
Wie in jedem Unternehmen bestand auch hier die Notwendigkeit, mit einem Kraftakt Strategien komplett neu zu denken: neue Strategien definieren und bestehende Strategien anpassen inklusive Aufzeigen der Abhängigkeiten der einzelnen Strategien in einer hierarchischen Anordnung (Kaskadierung). Dazu gehören auch jeweilge sehr umfangreiche Konzeptpapiere, die deutlich machen, welche Umsetzungstrukturen gefunden wurden.
Die Salesforce Strategie und die E-Mail Marketing Strategie wurden z.B. komplett neu erstellt. Damit einhergehend gibt es neu zu vergebende Rollen im Unternehmen und es werden neue Kompetenzen benötigt. Alle Beteiligten müssen an diesen Strategien mitwirken und die in den Konzepten gefundenen Antworten für die Umsetzung ganz tief verstehen. Insgesamt hat es mehr als 6 Monate gebraucht, bis kaskadierende Strategien fertig vorlagen und die Executives mit ihren jeweiligen Konzeptpapieren zielgerichtet arbeiten konnten.
Wir geben Antworten auf die Fragen:
- Was soll erreicht werden?
- Was bedeutet „personalisiertes Kundenerlebnis“ und „datengesteuerte maßgeschneiderte Customer Journey“?
- Was ist die übergeordnete CRM Strategie?
- Was ist die übergeordnete Marketing Strategie?
- Was ist die übergeordnete 360 Customer Centricity Strategie?
Das Salesforce-Konzeptdokument schafft Klarheit über alles, was rund um Salesforce Marketing Cloud und Personalisierung zu tun ist. Es hat seine Wurzeln in der CRM- und der übergeordneten 360 Customer Centricity Strategie. Die E-Mail-Marketing-Strategie ist ebenfalls ein Ergebnis dieses Dokuments. Darüber hinaus soll es dazu dienen, ein gemeinsames Verständnis des CRM-Ansatzes zu schaffen, und aufzeigen, wie der nahtlose Datenfluss sichergestellt wird. Das Konzeptdokument bietet ebenfalls eine Vision für die Persona Segmentation und die Umsetzung der Personalisierung in Hinblick auf Data Management Plattform und Demand Side Platform (DMP/DSP).
Wichtige Begriffe werden geklärt und ein gemeinsames Verständnis dafür geschaffen, um alles rund um E-Mails, Newsletter, Journeys, Push, SMS, Recommendations und Personalisierung entlang der Customer Journey richtig anzuwenden.
- Definieren, wie X-selling (Cross-sell & Upsell) auf der Website, in der App und in E-Mails eingesetzt wird
- Definieren, wie die SF Marketing Cloud und Journey Builder strukturiert wird
Namen Konvention für E-Mail Marketing - Die einzelnen Rollen und Rechtezuweisungen für alle definieren, die an der SF Marketing Cloud arbeiten
- Wie Marketing Cloud Personalisation und Einstein AI eingesetzt werden – definieren, wie Personalisierung eingesetzt wird auf der Website, in der App und in E-Mails, Push, SMS
Segmentierung der Personas definieren und wie Profile angereichert werden - Einsatz von Customer Match, Customer Audience
- Journey Mapping – Liste definieren aller trigger-based Automation Journeys
- Definieren, wie Feedback für Customer Satisfaction eingeholt wird
- Übersicht über alle Touchpoints in einem nahtlosen Datenfluss
- Use cases definieren für Marketing Cloud Personalisation
Bereichsübergreifenden Austausch neu organisieren
Das Anliegen, Customer Centricity und Marketing Automation nachhaltig und effektiv einzuführen, ist ein sehr komplexes Vorhaben. Im Unternehmen lagen zu Beginn Ahnungen vor, dass es ein komplexes Vorhaben werden wird und dass es cross-funktional realisiert werden wird. Doch wie genau dies geschehen soll, war absolut unklar.
Von Woche zu Woche und mit jeder neuen in Miro erstellten Übersicht wurde es deutlicher, was es noch zu tun gibt. Auch zeigte sich schnell der Bedarf ab, aus mehreren Bereichen und Teams Expert:innen an einen runden Tisch zu holen und dort die Miro-Übersichten weiter zu erarbeiten. Das sind sogenannte 360 round tables Austauschformate – eine absolute Notwendigkeit, wenn Customer Centricity konsequent umgesetzt werden soll. Es muss nicht perfekt sein zu Beginn, hier gilt es EINACH zu MACHEN und den Beteiligten etwas Zeit zu geben, um sich an das neue kollaborative, transparente und agile Vorgehen zu gewöhnen.
Mapping von Automation Use Cases und Customer-Bedarf
Es wurden über 75 Use Cases für die Marketing Automation identifiziert. Analog zur zuvor definierten Customer Journey haben wir ein Journey Mapping in einem Whiteboard visualisiert, dass folgende Struktur inne hatte:
- Lifecycle (Perceive, Explore, Buy, Set up, Extend, Usage, Support, Leave)
- Die zu jedem Schritt im Lifecycle passenden User Activities
- Eine Beschreibung aus der Ich-Perspektive des Users zu jedem einzelnen Schritt
- Die jeweils möglichen Handlungen des Users
- Sowie die zuvor definierten Customer Journey touch points
Mit solch einem Mapping tun sich im Allgemeinen Teams sehr schwer, denn diese sind sehr komplex und für viele Personen zunächst verwirrend. Hier hat uns eine moderierte Herangehensweise in verschiedenenen co-kreativen Sessions geholfen. Außerdem ist es wichtig, immer wieder hartnäckig auf die bereits definierten Strukturen zu verweisen und immer wieder diese zu wiederholen. So gewöhnen sich die einzelnen Beteiligten Personen langsam daran und integrieren sowohl die Begrifflichkeiten als auch die damit verbundenen Strukturen schrittweise in ihr Daily Business.
Daten in Einklang bringen
Als ich dieses Projekt übernommen habe, lagen bereits unterschiedliche Angebote von Implemementierungsdienstleistern vor und man hatte sich bereits für einen Anbieter entschieden. Diejenigen Anbieter, die ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Vereinheitlichung von Kundendaten aufgrund diverser Datensilos hinwiesen (und dies in der vorgeschlagenen Roadmap als auch in der Kostenstruktur berücksichtigten), wurden leider als zu teuer ausgesiebt. Diese Entscheidung, die ohne Expertenrat getätigt wurde, sollte sich schnell als Fehler erweisen.
Nur zum Verständnis: Eine Datenharmoniserung und -migration ist in solch einem komplexen Vorhaben eine große Sache. Sprich: Das macht man nicht nebenbei, sondern es braucht als eigenes Projekt entsprechende Ressourcen. In diesem Unternehmen gab es zu dem Zeitpunkt kein CDP (eine Customer Data Plattform). Das war nicht Grundlage der Angebote und das Unternehmen wollte aus Zeit- und Kostengründen – trotz eindringlicher Hinweise der Dienstleister – diese „Extrameile“ der Datenharmoniserung nicht gehen.
Die Anpassung an ein bestehendes Datenmodell und das in Einklang bringen historisch bedingt unterschiedlich gehandhabter Kundendaten über verschiedene Abteilungen und Technikprojekte ist eine große Herausforderung. Vor der eigentlich geplanten Konzepthase musste ein Pre-Projekt eingebaut werden, um überhaupt eine Grundlage zu schaffen für die Verknüpfung und Vereinheitlichung von Kundendaten (Data Migration). Das war absolut notwendig, führte allerdings auch zu massivem Zeitverzug und zur Kostensteigerung. Diese vom Unternehmen ursprünglich nicht für notwendig erachtete „Extrameile“ für die Daten wurde in Summe aufwendiger, nerven- und zeitraubend und wesentlich teurer als erwünscht. Das wäre absolut vermeidbar gewesen, hätte man Experten schon ganz zu Beginn mit eingebunden weit vor der Angebotsanfrage und der internen Finanz- und Zeitplanung.
Die Aufbauorganisation in der Pflicht
Nach dem EINFACH MACHEN Prinzip haben wir in cross-funktionalen Teams schnelle und unkomplizierte Lösungen gefunden. Doch für alle notwendigen Veränderungen, die im Rahmen des Vorhabens innerhalb des Programms aufpoppten, müssen früher oder später langfristige Strukturen in der Aufbauorganisation her. Das ist wichtig, damit die neu gefundenen Arbeitsweisen nachhaltig wirken und langfristig im Unternehmen Bestand haben. Die Aufbauorganisation ist hier in der Pflicht, für dauerhafte Strukturen zu sorgen, damit die Bmühungen aus diesem Vorhaben nicht verpuffen.
Es gab paralell im Unternehmen Bemühungen, agiles Arbeiten einzuführen und die Ablauforganisation umzustruktieren. Unser Vorhaben wurde beschleunigt ab dem Moment, wo diese Bemühungen für New Work verknüpft wurden mit unserem Programm und mit einem Initial-Workshop sich alle ein gemeinsames Verständnis erarbeitet hatten. Ab diesem Moment gelang auch der Abgleich der verschiedenen Streams besser.
360 Prozesse etablieren
Wer im Unternehmen 360 Prozesse etablieren möchte, benötigt Ausdauer, Umsetzungswille, externe Expert:innen und ganz viel Konsequenz.
Insgesamt kann es ein Jahr oder auch deutlich länger dauern, bis die 360 Prozesse final skizziert sind, als Business Process Modeling Notation (BPMN) an das Qualitäts Management (QM) übergeben werden und sich richtig im Unternehmen etabliert haben. Kernstück der 360 Prozesse ist die 360 task force, die am sogenannten runden Tisch (round table) alle Informationen zusammenbringt und von dort aus die wesentlichen Entscheidungen trifft.
Ganz nach dem Motto „einfach machen“ ist es sinnvoll, von Beginn an diesen runden Tisch als Austauschformat einzuführen. Egal wie „holprig“ die Abläufe sein werden, egal, ob schon die richtigen Menschen in diesem Austausch mit drin sind. EINFACH ANFANGEN und dann von Woche zu Woche, von Monat zu Monat strukturierter vorgehen und eine erste Ahnung eines 360 Prozess-Ablaufes auf einem Whiteboard skizzieren. Diese Skizzen werden gemeinsam weiter ausgearbeitet bis es irgendwann (fast) richtig gute und detailierte Prozess-Flows werden für jeden einzelnen Bereich innerhalb des gesamten 360 Prozesses. Der monatelange Weg geht hin von krakeliger erster Skizze, über sehr komplexe Flow-Übersichten und dann wieder runtergebrochen zu einzelnen Ablauf-Details bis hin zu final visualisierten Prozessen, die sich alle zu einem großen Puzzle zusammenfügen. Erfolgsgarant ist dabei mindestens eine Person, die in Prozessen denken, andere empowern und begeistern kann, die die Vision des fertigen Ergebnisses immer wieder ins Spiel bringt und sowohl einzelne Personen, Management, Teams (mit Internen als auch Externen) und letztdendlich die 360 task force selber zu diesem Ergebnis als Digital Leader hinführen kann.
360 Round table task force
Einmal im Monat trifft sich die 360 task force mit dem Anspruch „Wir müssen unsere Maßnahmen und die datengesteuerte, maßgeschneiderte Customer Journey in einem iterativen Verfahren verbessern“ und legt alle notwendigen Informationen auf den Tisch:
- Übersicht der aktuellen und geplanten Maßnahmen
- Ergebnisse, Analysen und Reports
- Kundenbedürfnisse
- Business-Entscheidungen
- Expertenmeinungen
- Informationen aus anderen technischen Vorhaben
- Ideen für neue Kampagnen und bessere Kundenerlebnisse
- Positive Beispiele aus dem Wettbewerb
Jede Person aus dem Unternehmen hat die Möglichkeit, ihre Sichtweise, Bedenken, Anregungen jederzeit über ein neu eingeführtes Tool an die 360 task force heranzutragen. So ist sichergestellt, dass die 360 task force alles voliegen hat, um breit gefächerte Perpektiven zu berücksichtigen und zielführende Entscheidungen zu treffen.
Diese Entscheidungen sind Ausgagspunkt der nachfolgenden Anschluss-Prozesse.
Der Ergebnis der 360 task force lautet: „Wir haben dafür gesorgt, dass wir für eine Iteration unsere Maßnahmen und die datengesteuerte, individuelle Customer Journey vorangetrieben haben, um bessere Ergebnisse zu erzielen.“
Alle 360 Prozesse in der Übersicht
Neben dem Dreh- und Angelpunkt des 360 task force Prozesses gibt es zahlreiche rundherum gelagerte Prozesse, die es zu definieren gilt. In diesem Beispiel (siehe Abbildung) sind nur alle Prozesse aus E-Mail-Marketing, Marketing Automation und Marketing Cloud Personalisation aufgelistet.
Wichtig ist eine Übersicht aller zusammenhängenden 360 Prozesse (wie ein großes Puzzle-Bild), die alle Beteiligten sehr gut verinnerlicht haben und jeweils für ihre eigenen Aufgabenbereiche die detaillierten Prozess-Flows kennen und damit arbeiten.
360 als Haltung immer weiter entwickeln
Mit der reinen Einführung und Etablierung der 360 Prozesse ist es nicht getan. Bei 360 Prozessen reicht es nicht aus, den Kraftaufwand punktuell für die Einführung aufzubringen. Vielmehr muss sich diese Denkweise (immer wieder wechseln in die Kundensicht als auch der holistische Blick auf die unterschiedlichen Abläufe rund um die Customer Journey) immer wieder im Unternehmen Gehör erschaffen.
360 mus immer ein Veränderungsvogang im ganzen Unternehmen sein, der Zeit und fortwährende Übung braucht. Nur so wird aus ersten gemachten Handlungen routinierte kundenzentrierte Denkweise bis hin zur Unternehmens-DNA, die die 360 Grad-Haltung widerspiegelt.
- Der Sponsor des 360 Vorhabens macht in der Einführung- und Etablierungsphase immer wieder deutlich, warum das notwendig ist und wie wichtig dieses Vorhaben für das Unternehmen ist.
- Die Person, die die 360 task force leitet, bringt immer den Auftrag Kundenzentrierung ins Gespräch und hält die Fäden über alle 360 Prozesse hinweg in den Händen.
- Jede einzelne beteiligte Person muss es sich zur Gewohnheit machen, das Handeln immer und immer wieder zu hinterfragen, um noch bessere Kundenerlebnisse zu ermöglichen.
360 Round Table einführen
- Herausforderungen für Entscheider:innen
Best Case: Kundo xT Smart Service
- Herausforderungen für Entscheider:innen
- Statement
Lean Prozess – in 5 Schritten Probleme bei den Hörnern packen
- New Work
- Info
Die richtigen KPIs in automatisierten Prozessen
- Technologie & Data
- Info
Handel im Wandel – Warum Entscheidungsgeschwindigkeit immer wichtiger wird
- Herausforderungen für Entscheider:innen